KALISZ(Kalisch)
Stadt auf dem Landrücken von Kalisz am Fluss Prosna, zweitgrößte Stadt in der Woiwodschaft Wielkopolska, ca. 110.000 Einwohner; kreisfreie Stadt und Sitz des Landkreises.
Geschichte:
Den Namen Kalisia (Siedlung an der Bernsteinstraße) erwähnte erstmals im 2. Jahrhundert n. Chr. der griechische Gelehrte Claudius Ptolemäus.
Das frühmittelalterliche Kalisz entstand im Stadtteil Zawodzie. Es verdankt seine Blütezeit in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts dem Herzog von Wielkopolska Mieszko III. dem Alten. Vom Ehrgeiz des Herrschers zeugte die Paulskirche, eine romanische Stiftskirche (ihr Grundriss wurde auf dem Burggelände im Stadtteil Zawodzie rekonstruiert). Im 13. Jahrhundert verlegte der schlesische Herzog Heinrich der Bärtige die Burg auf das andere Ufer der Prosna. Die Stadtgründung erfolgte ca. 1257 nach Magdeburger Recht. Aus jener Zeit stammt das gut erhaltene Straßennetz. Seit dem Mittelalter gibt es hier folgende Gotteshäuser: Kirche des hl. Stanislaus, des Märtyrerbischofs, Nikolausdom und Stiftskirche -Himmelfahrtskirche - Basilika des hl. Joseph. Herzog Boleslaus der Fromme erließ hier 1264 das Statut von Kalisz, also ein Privileg für die Juden von Wielkopolska. Im nordöstlichen Teil der Stadt ließ Kasimir der Große ein Schloss errichten und die Wehrmauern ausbauen (überlieferte Fragmente mit dem Gefängnisturm, genannt Dorotka-Turm). In Kalisz schloss Kasimir 1343 den Friedensvertrag mit den Kreuzrittern. Das Rathaus im Stil der Gotik und Renaissance hatte bis zum 18. Jahrhundert einen der höchsten Türme in Europa. Seit dem Mittelalter entwickelte sich das Judenviertel. Zur Bekämpfung der Reformation holte der Primas von Polen Stanisław Karnkowski die Jesuiten ins Land und stiftete ihnen die frühbarocke Stanislaus-und-Adalbert-Kirche sowie das größte Kolleggebäude in der Adelsrepublik beider Nationen (Polen-Litauen). In der Schule lehrten hervorragende Wissenschaftler, u.a. der belgische Gelehrte Charles Malapert. Hier gab es ein Theater, eine Druckerei und eine Apotheke. Nach der Kassation des Ordens (1773) wurde die Kirche für ca. 150 Jahre von der evangelischen Pfarrgemeinde übernommen.
Die altpolnische Zeit endet mit einer großen Feuersbrunst und der Eroberung der Stadt durch die Preußen (1793). Prägende Spuren ihrer Herrschaft sind der Stadtpark (gegr. 1798), die zweitgrößte allgemein zugängliche Grünanlage in Polen nach dem Sächsischen Garten (in Warschau – Anm. d. Ü.) und die Repräsentationsstraße der Stadt – die heutige Wolności-Allee. 1806 verjagten die Einwohner von Kalisz selbstständig die Preußen. Nach dem Untergang des Herzogtums Warschau geriet Kalisz unter russische Herrschaft (1815). Die Grenzlage förderte die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, führte aber zur Demontage der Bindung an Wielkopolska. Die Stadt war Woiwodschaftshauptstadt und ein repräsentatives Aushängeschild Russlands. Die Niederlage des Novemberaufstands unterbrach die Zeit der Prosperität. Ein letzter Nachhall des einstigen Glanzes war das Treffen der Monarchen der Annexionsmächte (1835), dessen Gast u.a. Prinz Albert (der Ehemann der englischen Königin Victoria) war. 1838 wurde der Dichter Adam Asnyk in Kalisz geboren.
Ein Merkmal der Stadt Kalisz war im 19. Jahrhundert ihre Multikulturalität. Auf dem damaligen St.-Joseph-Platz standen die russisch-orthodoxe Kirche (in den 20iger Jahren des 20. Jh. abgerissen), die von den Jesuiten übernommene evangelische Kirche (zurzeit Garnisonskirche) und die katholische Stiftskirche nebeneinander. Bekannte, mit dem damaligen Kalisz verbundene Persönlichkeiten waren der Kamerunforscher Stefan Szolc-Rogoziński und Maria Konopnicka. Nach dem Eisenbahnanschluss (1902) stieg die Bevölkerungszahl von 38.000 auf rund 70.000 vor dem Ersten Weltkrieg. Europäisches Ansehen erlangten die Fibiger-Klaviere aus der Klavierfabrik von Arnold Fibiger. Ein literarisches Bild von Kalisz an der Jahrhundertwende kann man in dem Roman „Nächte und Tage“ von Maria Dąbrowska (als Kaliniec) finden.
Während des Ersten Weltkriegs gingen 95% des historischen Zentrums in Flammen auf. Im unabhängigen Polen hatte sein Wiederaufbau große Bedeutung für den polnischen Schutz der historischen Städteplanung. In jener Zeit wurde die russisch-orthodoxe Kirche errichtet (Niecała-Straße) – das einzige russisch-orthodoxe sakrale Objekt, das in der Zweiten Republik entstand. In den Jahren 1922-1926 war ein Einwohner von Kalisz - Stanisław Wojciechowski – Präsident Polens.
Der Zweite Weltkrieg setzte der Multikulturalität ein Ende – ihre einzige Spur sind die Denkmäler sowie die lutherische und die russisch-orthodoxe Kirchengemeinde.
1975 wurde Kalisz wieder Woiwodschaftshauptstadt. Den Verlust dieses Titels 1998 glichen teilweise die Gründung des Bistums Kalisz und die Entwicklung des Hochschulwesens aus.