JUGENDSTIL
Diese Kunstströmung verbreitete sich in den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in Westeuropa und fand auch rasch ihren Weg in die polnischen Gebiete. Sie brach mit den historischen Stilen und berief sich auf die Natur und die japanische Kunst. Daher rühren die Asymmetrie, die Weichheit und der Eindruck von Bewegung, den die langen, sich windenden Linien, die pflanzlichen und tierischen Motive, die Frauengestalten mit wehenden Haaren, die Phantasiewesen hervorrufen. Der Erste Weltkrieg läutete den Niedergang dieser Stilrichtung ein.
Gebaut wurde zu kommerziellen Zwecken. Es ging demnach darum, dass die Gebäude von außen und von innen attraktiv aussahen – daher die schmückenden Details an den Fassaden, die dekorativen Anordnungen der Fenster, Nischen und Balkone, die effektvollen Gesimse und Giebel, mitunter die Inschriften (üblich war z.B. das über dem Eingang angebrachte Wort salve = sei gegrüßt) oder die Entstehungsdaten. Jugendstilhäuser kann man heute vor allem in Poznań betrachten – in den Stadtteilen Jeżyce und Łazarz. Einzelne mehr oder weniger geschmückte Gebäude kann man auch in anderen Städten antreffen, u.a. in Czarnków, Kalisz, Koźmin, Ostrów Wielkopolski, Śrem.
Jugendstilelemente wurden auch beim Bau oder eher bei der Modernisierung der Palais eingesetzt, z.B. erhielten die Herrenhöfe in Lutom (Kreis Międzychód) und Otorowo (Kreis Szamotuły) eine bescheidene Dekoration in diesem Stil, Jugendstilflügel wurden an das Palais in Belęcin (Kreis Wolsztyn) und den Herrenhof in Chełmno (Kreis Szamotuły) angebaut, das Palais in Krzyżanowo (Kreis Śrem) hat ein Jugendstilportal, das Palais in Kuczków (Kreis Pleszew) hingegen – einen Turm. Im Innern einiger städtischer Bürgerhäuser sind Jugendstilelemente bei der Dekoration der Treppenhäuser und Fenster erhalten geblieben (Glasmalereien und sogar Mosaikfenster). Eine größere Ausstellung, die Jugendstileinrichtungen zeigt, befindet sich im Stanisław-Staszic-Museum in Piła.
Die Dekoration der Fensterscheiben gehörte zu den grundlegenden Schmuckformen, die in Amtsgebäuden, die im behandelten Zeitraum errichtet oder modernisiert wurden, angewendet wurden. Bis heute sind sie u.a. in den Rathäusern in Koźmin und Rawicz, in den Gebäuden der Landratsämter in Gostyń, Śrem und Wągrowiec oder in den Sitzen der Gerichte in Gostyń und Grodzisk Wielkopolski erhalten geblieben.
Zu dieser Strömung sind auch die Anfang des 20. Jahrhunderts ausgeführten polychromen Malereien und Mosaikfenster in den Kirchen zu rechnen (mitunter als Stil des jungen Polen bezeichnet), insbesondere jene, die ein Werk Krakauer Künstler sind, nämlich von Antoni Procajłowicz – in Golejewko, Jutrosin und Kołaczkowice (Kreis Rawicz), in Kamieniec (Kreis Grodzisk) oder in der Adalbertskirche in Poznań, sowie von Tadeusz Popiel – in Grodzisk (Kreis Pleszew), Kępno und in der Kirche im Stadtteil Jeżyce in Poznań. Im russischen Annexionsgebiet präsentierten sie zuweilen ein patriotisches Programm, wie in der Polnischen Kapelle beim Dom in Kalisz, die Włodzimierz Tetmajer geschmückt hat, oder in den polychromen Malereien von Eligiusz Niewiadomski in der Kirche in Konin; von diesem zweiten Maler stammen auch die Gemälde in der Kirche in Psary (Kreis Turek). Das letzte Werk im behandelten Stil, das bereits aus der Zwischenkriegszeit stammt, sind die Projekte der polychromen Malereien und der Mosaikfenster von Józef Mehoffer für die Kirche in Turek.